LEER_RÄUME (XXX - RAHMENBEDINGUNGEN UND RANDERSCHEINUNGEN)
NICHT_BILDER oder die Grenzen der Wahrnehmbarkeit; Interventionen und Unterlassungen, 1996
Nach Heidegger bedeutet "Räumen" die "Freigabe von Orten" und meint darüber hinaus das "Einräumen im Sinne des Zulassens und des Einrichtens". Das Einräumen gibt und lässt etwas zu und zwar nicht nur das Erscheinen anwesender Dinge, sondern auch ein noch abwesendes Potential. Das Einräumen bereitet Dingen sowie Vorstellungen eine Möglichkeit. Dennoch wird "Leere" meist als Mangel interpretiert, als das Fehlen von Etwas, z.B. einer Ausfüllung von Hohl- und Zwischenräumen. Das der Leere innewohnende Potential, das Entstehen von Etwas überhaupt erst zuzulassen, wird häufig übersehen. Dies mag mit ein Grund sein, warum “Ausstellen” gewöhnlich als das Füllen eines Raumes mit Kunst betrachtet wird und somit als Abschaffung eines Mangels, den der leere Ausstellungsraum scheinbar darstellt. Dessen fotografische Abbildung mag unnötig erscheinen, da sie diesen “Missstand”, das negativ konnotierte "Fehlen" von einem "Etwas", auch noch dokumentarisch fixiert und sich somit zum Zeugen des Mangels macht.

Dabei existiert die Leere oder das Nichts selbst bei Abwesenheit von wahrnehmbaren Reizen visueller oder akustischer Natur nie absolut. Auch ein entleerter Bilderrahmen oder Raum sind nicht eigentlich leer. Physikalisch gesehen existiert die Leere nicht, es gibt keine Orte, an denen nichts ist. Überall befinden sich physikalische Phänomene wie Wellen oder Schwingungen, auch wenn wir sie nicht bewusst wahrnehmen. Das NICHTS oder LEERE sind relative Begriffe, allein definiert durch das, auf was sie sich beziehen. NICHTS ist eine Abstraktion, Gedächtnisleistung, aber notwendig, um ETWAS denken zu können. Das, was diese Begriffe bezeichnen, hat eine oft unterschätzte Präsenz, vielleicht weil es im Gegensatz zu dem als positiv betrachteten Begriff der "Fülle" steht. Einen Bilderrahmen oder einen Raum als leer zu bezeichnen, ist lediglich die Feststellung, dass das Übliche oder Erwartete nicht anwesend ist. NICHTS ist ein Möglichkeitsraum und in diesem Sinne Potential. Es ist, was es ist, was es sein könnte und zugleich was es nicht ist. NICHTS ist Projektor des Imaginären, eine Bildproduktionsmaschine. Es ist evokatorisches Wunschobjekt, Auslöser für innere Bilder, Projektion und Projektionsfläche zugleich. NICHTS vernichtet Raum und lässt gleichzeitig neue Orte entstehen. Leere ist eine Bewusstseinsform.

Aus der ursprünglichen Absicht, die Abbildungen der leeren Museumsräume zu füllen, ist zunächst ein Verharren geworden, ein Aushalten leerer Räume und Bildflächen, die mit Hilfe von Markierungen auf "Fehlendes" verweisen. In diesem Sinne sind die nachfolgenden INTERVENTIONEN im Wesentlichen UNTERLASSUNGEN. Leerstellen sind als Medien in den Mittelpunkt gerückt - universale Projektoren und Projektionsflächen für Erinnerungen, Vorstellungen und Imaginationen. Die Arbeit ist zu einem imaginären Gang durch individuelle und kollektive Bildarchive des eigenen Gedächtnisses geworden, in denen sich im Verlauf der Zeit Bildfragmente bewusst oder unbewusst als Erinnerungen oder "visuelle Sedimente" abgelagert haben. Die so entstandenen Löcher und Weglassungen provozieren virtuelle "Denkbilder", um die Grenzen der eigenen Denkmuster bewusst werden zu lassen. Vielleicht lässt sich XXX aber auch einfach nur als "Atemholen" in der Weiterentwicklung von Bildern betrachten.
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