[DPsNtN] II = DISPLACED_PERSONS say NOTHING to NOBODY
Interaktives Online Environment, "crosslinks", Marstall, Berlin,1999
"Displaced persons" haben bislang noch jedes Gesellschaftsbild maßgeblich charakterisiert. Angesichts derzeitiger Entwicklungen rücken sie auch als globales Phänomen mehr und mehr in den Vordergrund. Die Aufspaltung von Weltmächten in Nationalstaaten, die umgekehrten Bemühungen um ein gemeinsames Europa, Flüchtlingsströme ebenso wie die Ausweitung des weltweiten Tourismus, um nur einige Beispiele zu nennen, bringen mehr und mehr “displaced persons” - “Ortlose” hervor, die an der Frage nach Identifikation fast zwangsläufig scheitern. Verschärft durch den Prozess weltweiter Globalisierung stehen wir vor einem gewaltigen Tranformationsprozess in dessen Kontext Begriffe wie "hier - da", "An- und Abwesenheit" oder "Nähe - Ferne" nach neuen Definitionen verlangen. Der Begriff des Raumes zwischen "Nirgendwo" und "Irgendwo" ist relational geworden und bedarf wie die Frage nach "Verortung" innerhalb dieser ortlosen "Zwischenräume" einer Klärung.

Schon jetzt fristen wir einen Teil unseres Lebens als "virtuelle Existenzen" oder "Datenkörper" in immateriellen Datenräumen, wobei "virtuell" etwas "der Kraft oder Möglichkeit nach Vorhandenes" und "Existenz" das "Dasein, Leben, Vorhandensein, Wirklichkeit" bezeichnet. Somit verweist der Begriff "virtuelle Existenzen" auf das Paradox einer "möglichen Unmöglichkeit" hin - vielleicht ein Indiz für zukünftige gesellschaftliche Entwicklungen - , mit Sicherheit aber der Beginn einer Gratwanderung zwischen Materialität und Immaterialität, zwischen "Schein” und “Sein". Der Körper als Bestandteil der "physischen Realität" bleibt weiterhin "aussen vor". Als Reaktion darauf bilden sich mehr und mehr "displaced persons“ heraus, deren Erfahrungen aus der Gratwanderung zwischen beiden Welten (physische und virtuelle Welt) hervorgehen. Inwiefern sich die virtuelle Identitätsbildung auch körperlich niederschlagen wird, wenn sie nicht ohnehin schon immer latent vorhandener Bestandteil der eigenen Identität war, bleibt ungewiss.

DISPLACED_PERSONS basiert auf einer umfangreichen Recherche in MUDs und MOOs - meist sprachbasierten Räumen im Internet, deren Umgebungen sich in Echtzeit verändern und allein über die Vorstellungs- oder Einbildungskraft der User erzeugt werden. Im Mittelpunkt standen die Transformationen zu einer sich neu entwickelnden "Sprachkultur" zwischen gesprochener Sprache und Schriftsprache, welche sich am ehesten mit "gesprochenem Schreiben" oder "geschriebenem Sprechen" umschreiben lässt, sowie das Spiel mit wechselnden Identitäten. Das Netz erlaubt Anonymität und visuelle Isolation. Einziger Anhaltspunkt für die Identität einer Person ist ihr fiktives Porträt, sowie die Art und Weise, wie sie in Situationen agiert und reagiert. Der im Environment zu hörende POLYLOG beschreibt eine Kommunikation zwischen unterschiedlichen fiktiven Charakteren (Prototypen). Das Drehbuch (RegieScript) hierzu, in dessen Zentrum u.a Fragen nach Ab- und Anwesenheit, Identität, Geschlecht, Diskrimierung, Leben und Tod, Wirklichkeit und Fiktion stehen, ist eine Zuspitzung der in MOOs, MUDs und Chaträumen alltäglich ablaufenden Dialoge.

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